Modul 6 – Interkulturelle Kompetenz

Das übergeordnete Ziel dieses Moduls ist es Lehrer*innen zu befähigen Interkulturalität in ihrem schulischen Kontext angemessen zu berücksichtigen. Dies beinhaltet die folgenden Unterziele:

TEIL A

Selbstreflexion zu kultureller Identität und Kultursensibilität

In diesem Teil werden sich Lehrer*innen des eigenen kulturellen Hintergrunds bewusst und reflektieren, wie dieser mit ihren Werten und ihrer Lebensweise verbunden ist. Sie lernen grundlegende Konzepte von Kultur, kultureller Identität und interkultureller Sensibilität kennen.

TEIL B

Kultursensibler und rassismuskritischer Unterricht

In diesem Teil sollen Lehrer*innen dafür sensibilisiert werden, was sie selbst zu einem kultursensiblen und rassismuskritischen Unterricht beitragen können und lernen wie sie Themen im Kontext von Migration und Rassismus im Unterricht aufgreifen können.

TEIL C

Umgang mit interkulturellen Konflikten in der Schule

In diesem Teil können Lehrer*innen den Umgang mit interkulturellen Konflikten im Klassenzimmer üben und lernen Strategien kennen, die in diesem Kontext hilfreich sein können. Mithilfe praxisnaher Beispiele und Tipps erhalten sie die Möglichkeit, ihr eigenes Handeln in vergleichbaren Situationen zu reflektieren.

WAS?

Interkulturelle Sensibilität und interkulturelle Kompetenz sind Schlüsselelemente der Radikalisierungsprävention. Aber nicht nur Schüler*innen, sondern auch Lehre*innen sollten in diesem Zusammenhang sensibilisiert werden.

Dieses Modul des Anti-Radikalisierungstrainings soll das Bewusstsein von Lehrer*innen für kulturelle und religiöse Vielfalt in ihrer Schüler*innenschaft schärfen und sie in die Lage versetzen, professionell und nichtdiskriminierend mit Unterschieden umzugehen. Dazu gehört auch der Umgang mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen und Lebensstilen, die die eigenen Werte und Überzeugungen in Frage stellen.

WIE?

TEIL A: Selbstreflexion zu kultureller Identität und Kultursensibilität

Nur wenn wir uns unserer eigenen kulturellen Identität und der damit verbundenen Werte und Verhaltensweisen bewusst sind, können wir verstehen, was aus unserer Sicht in Bezug auf andere Kulturen irritierend ist. Selbstreflexion ist eine grundlegende Fähigkeit sowohl in der intra- als auch in der interkulturellen Interaktion, um nicht in einer ethnozentrischen Weltanschauung zu verharren.  Die eigene Weltanschauung erscheint jedem*jeder von uns zunächst als das, was „normal“, „wahr“ oder „real“ ist. Die Erfahrung, dass es keine objektive Weltanschauung gibt, sondern dass die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, vom kulturellen Hintergrund abhängt, ist ein grundlegender Schritt auf dem Weg zu mehr interkultureller Kompetenz. Zunächst müssen wir daher unsere eigene Welt und unsere eigenen Erfahrungen in einem selbstreflexiven Prozess wahrnehmen und uns das Unbewusste und Selbstverständliche bewusst machen und hinterfragen (siehe Übung 1).

Übung 1 dient der Selbstreflexion des eigenen kulturellen Hintergrundes. Dies führt automatisch zu der Frage, wie Kultur und kulturelle Identität zu definieren sind. Im Anschluss an die Übung werden daher grundlegende Konzepte im Bereich der interkulturellen Kommunikation erläutert:

  •  Kulturbegriff
  • Begriff der kulturellen Identität
  • Interkulturelle Sensibilität

In diesem Zusammenhang werden das Eisbergmodell von Kultur sowie Bennetts Modell der interkulturellen Sensibilität vorgestellt, um das Verständnis dafür zu erweitern, was „interkulturelle Sensibilität“ bedeutet (siehe Übung 2).

TEIL B:  Kultursensitiver und rassismuskritischer Unterricht

Schule ist kein Raum, der frei ist von Stereotypisierung, Diskriminierung oder Rassismus. Lehrer*innen sollten reflektieren, welche Rolle diese Mechanismen in ihrem Schulalltag spielen können und welchen Beitrag sie selber in diesem Kontext leisten (können).

Oueslati (2018) zufolge erleben viele Schüler*innen Diskriminierung in ihrem Alltag. Manche haben es aufgrund ihres Namens schwieriger, einen Job zu finden oder haben in ihrer Freizeit weniger Zeit, in eine Disco zu gehen oder sie werden wegen ihres Kopftuchs anders behandelt. Sie stellen sich daher viele Fragen, auf die sie nicht immer selbst eine Antwort finden: Warum haben Migranten Schüler*innen oft schlechtere Noten als einheimische Schüler*innen? Warum spricht der Beamte mit meiner Familie, als wären wir ungebildet? Warum fällt es uns schwerer, eine Wohnung zu finden? Warum haben wir seit Jahren nur eine begrenzte Aufenthaltserlaubnis? Warum werde ich immer gefragt, woher ich komme, als ich hier geboren wurde? Andere Schüler*innen kommen aus Familien, in denen menschenfeindliches oder rechtsradikales Gedankengut zum Ausdruck kommen. Ein Phänomen, das sich durch die Mitte der Gesellschaft zieht. Vor allem pubertierende Schüler*innen, die auf der Suche nach Identität sind, stellen sich immer wieder persönliche und soziale Fragen rund um das Thema Rassismus, für die sie in der Regel keinen ausreichenden Raum zur Reflexion haben. Rassismuskritische Unterrichtsansätze sind eine Möglichkeit, diese Themen als Lehrer*innen*in anzugehen (Oueslati 2018).

Nicht zuletzt können Lehrer*innen diskriminierend handeln, auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind. Diskriminierung und Rassismus werden oft mit gewalttätigen Nazis oder rechtsextremen Menschen in Verbindung gebracht. In der Schule kommen jedoch oft die verborgeneren Formen von Diskriminierung und Rassismus zum Tragen. Für Lehrer*innen ergeben sich Fragen wie: Biete ich wirklich allen meinen Schüler*innen die gleichen Chancen? Welche Art von unbewussten Stereotypen oder Vorurteilen können meinen Unterricht beeinflussen? Wie kann ich sicherstellen, dass sich keiner meiner Schüler*innen diskriminiert fühlt?   

Die folgende Übung unterstützt Sie dabei, Antworten auf diese Fragen zu finden.

TEIL C: Umgang mit interkulturellen Konflikten in der Schule

Lehrer*innen können in der Schule mit interkulturellen Konflikten konfrontiert sein, die einen professionellen Umgang und eine Vermittlung zwischen verschiedenen Positionen erfordern. Dies können auch Situationen sein, die ihre persönlichen Werte in Frage stellen. Es gilt mit diesen Situationen kultursensibel umzugehen, um zu vermeiden, dass eine Atmosphäre des Misstrauens und der Ausgrenzung entsteht, die Radikalisierungsprozesse begünstigen könnte.

Lehrer*innen sind möglicherweise nicht darauf vorbereitet, mit solchen Situationen umzugehen: Wie reagiere ich, wenn junge Menschen andere als „Opfer“ beleidigen? Wie kann ich mich auf den nächsten Ramadan vorbereiten oder auf Anfragen nach Gebetsräumen reagieren? Gibt es so etwas wie „Deutschenfeindlichkeit“? Wie gehe ich mit Signalen um, die auf eine Radikalisierung hinweisen könnten?

In den folgenden Übungen (4+5) werden Szenarien angeführt, die exemplarisch das Verständnis interkultureller Konflikte vertiefen können.

Der Einsatz von Szenarien zum Erlernen des Umgangs mit interkulturellen Situationen ist eine weit verbreitete und effektive Methode im interkulturellen Training. Szenarien, die sich mit einem interkulturellen Konflikt befassen, werden oft als „Critical Incidents“ (= kritische Situationen) bezeichnet. Der Begriff wurde ursprünglich von J. C. Flanagan verwendet, der als Entwickler der „Critical Incident Technique“ (CIT) bekannt ist. Flanagan nutzte diese Technik, um Informationen über kritische Situationen und deren Folgen zu sammeln, so dass Verbesserungen im jeweiligen Kontext daraus abgeleitet werden können. In der interkulturellen Bildung werden „Critical Incidents häufig als Lernmaterial eingesetzt. In diesem Zusammenhang wird der Begriff „Critical Incidents“ in der Regel für Situationen verwendet, in denen aufgrund kultureller Unterschiede zwischen den Interaktionspartnern ein Missverständnis, Problem oder Konflikt entsteht.

Margalit Cohen-Emerique hat eine diagnostische Methode für kritische Situationen entwickelt, die bei den Beteiligten zu einem Kulturschock führen. Cohen-Emerique, definiert einen Kulturschock als die emotionale und intellektuelle Reaktion, die entsteht, wenn man eine Fremdheitserfahrung macht. Diese Erfahrung kann Emotionen wie Unverständnis, Angst und Überraschung auslösen. Wenn ein Kulturschock nicht erkannt und verarbeitet wird, kann er zu Abwehrreaktionen führen.

In einer Schule, in der kulturelle Diversität zum Normalfall geworden ist, gibt es jeden Tag zahlreiche Beispiele für kritische Situationen bzw. Kulturschocks. Wie kann hier eine Verurteilung oder ein Rückzug der betroffenen Menschen vermieden werden? Wie kann der Raum für Dialog erhalten werden? Wie können Lösungsmöglichkeiten entwickelt werden, die die Erwartungen und Werte aller Beteiligten berücksichtigen? Margalit Cohen-Emerique empfiehlt, dass pädagogische Fachkräfte Kulturschocks systematisch analysieren, um eine offene Haltung zu wahren. Die Ignoranz eines Kulturschocks hingegen verhindert seine Verarbeitung und schützt nicht vor seinen Auswirkungen. Es ist daher notwendig, Situationen zu identifizieren, die einen Kulturschock auslösen, um ein Abdriften in eine defensive und negative Haltung zu vermeiden.

Übung 4 enthält eine detaillierte Beschreibung des Kulturschock-Ansatzes von Cohen Emerique und ein Beispiel für einen interkulturellen Konflikt in der Schule bzw. eine Beschreibung wie dieser mit dem Kulturschock-Ansatz analysiert werden kann.

Übung 5 beinhaltet exemplarische Szenarien zum Umgang mit Situationen und Positionen im Kontext des Islams (Quelle: ufuq.de). Die Szenarien dienen der Reflexion und werden ergänzt um Hintergrundinformationen zum jeweiligen Thema und bieten Handlungsempfehlungen an.

LITERATUR

Bennett, M. J. (1986): A developmental approach to training intercultural sensitivity. in J. Martin (Guest Ed.), Special Issue on Intercultural Training, International Journal of Intercultural Relations. Vol 10, No.2. 179-186.

Bennett, M. J. (1993): Towards ethnorelativism: A developmental model of intercultural sensitivity (revised). In R. M. Paige (Ed.), Education for the Intercultural Experience. Yarmouth, Me: Intercultural Press.

Cohen-Emerique M., Le choc culturel, méthode de formation et outil de recherche. In: Guide de l’interculturel en formation. Demorgon J. et Lipiansky E.M. (Dir.), Éditions Retz, Paris, 1999, Pp 301-314.

Kinderwelten Projektmaterialien (2007): Zur Kommunikation zwischen Eltern und Erzieher_Innen bei Konflikten. Available online:  https://situationsansatz.de/files/texte%20ista/fachstelle_kinderwelten/kiwe_pdf/Zusammenarbeit_zw_Eltern_u_Erzieher_innen_bei_Konflikten.pdf

Oueslati, Ramses M.: Standhalten: Umriss einer rassismuskritischen Didaktik. Full text version in German: https://www.ufuq.de/umriss-einer-rassismuskritischen-didaktik/#_ftn1

Ufuq.de (2018): The kids are alright. Vorschläge für den pädagogischen Umgang mit schwierigen Positionen und Verhaltensweisen von Jugendlichen im Kontext von Islam, Islamismus und Islamfeindlichkeit.

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