OER – PROGRAMM ZUR PREÄVENTION VON RADIKALISIERUNG
EINLEITUNG
In den letzten Jahren haben gewaltsamer Extremismus und Terroranschläge in ganz Europa zugenommen und stellen nicht nur eine Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung, sondern auch für die Grundrechte wie Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Wahrung des Rechtsstaats, der Menschenrechte und der Menschenwürde dar. Die alarmierenden Entwicklungen stehen in direktem Widerspruch zu der Vision einer europäischen Gesellschaft, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichstellung der Geschlechter auszeichnet.
Das Treffen der EU-Bildungsminister und Kommissar Navracsics hat am 17. März 2015 in Paris auf gemeinsame Initiative Frankreichs und der lettischen EU-Ratspräsidentschaft die „Erklärung zur Förderung der Bürgerschaft und der gemeinsamen Grundwerte der Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung im Bildungswesen“ (die so genannte Pariser Erklärung) verabschiedet. Die Erklärung legt gemeinsame Ziele für die Mitgliedstaaten fest und appelliert an die EU, den Austausch von Ideen und bewährten Verfahren im Hinblick auf diese Ziele zu fördern:
Durch die Förderung von demokratischen Werten und Grundrechten, sozialer Eingliederung und Antidiskriminierung sowie aktiver Staatsbürgerschaft sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche soziale, zivilgesellschaftliche und interkulturelle Kompetenzen erwerben;
Förderung des kritischen Denkens und der Medienkompetenz, insbesondere bei der Nutzung des Internets und der sozialen Medien, um Widerstand gegen alle Formen der Diskriminierung und Indoktrination zu entwickeln;
Unterstützung der Bildung benachteiligter Kinder und Jugendlicher, indem wir sicherstellen, dass unsere Bildungs- und Ausbildungssysteme auf ihre Bedürfnisse eingehen;
In Kooperation mit anderen relevanten Politiken und Interessengruppen den interkulturellen Dialog durch alle Formen des Lernens zu fördern.
Die Pariser Erklärung konzentriert sich auf den Bedarf von Lehrer*innen, Fähigkeiten und Kompetenzen zu entwickeln, um besser mit komplexen Unterrichtssituationen umzugehen und Sicherheit im Umgang mit Diversität zu gewinnen.
Die aktuellen Programme zur beruflichen Weiterbildung (Continuing Professional Development, CDP) wurden leider als nicht immer ausreichend relevant für die Bedürfnisse der Lehrer*innen und die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert sind, wahrgenommen.
In ganz Europa spielen Schulen eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Radikalisierung, indem sie gemeinsame europäische Werte verbreiten, die soziale Eingliederung fördern, das gegenseitige Verständnis und die Toleranz stärken und das kritische Denken der Schüler*innen über kontroverse und heikle Themen als einen wichtigen Schutzfaktor gegen Radikalisierung entwickeln können.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, zielt das Projekt PRACTICE – „Preventing Radicalisation through Critical Thinking Competences“ „Prävention gegen Radikalisierung durch Förderung von kritischem Denken“ (Erasmus + – KA2: Strategische Partnerschaft im Bereich der Schulbildung) darauf ab, innovative Weiterbildungsansätze zu entwickeln und gleichzeitig auf den jeweiligen Bedarf an Lehrmethoden zu reagieren, die auf unterschiedliche Lernende anwendbar sind, mit dem Ziel, Radikalisierung zu verhindern.
PRACTICE befasst sich mit den aktuellen Herausforderungen und Bedürfnissen zur Prävention von Radikalisierung in der Schule und zur Unterstützung der Möglichkeiten der Lehrer*innenfortbildung auf diesem Gebiet. Hier wird ein innovativer Ansatz entwickelt, erprobt und verbreitet, bei den partizipativen Methoden in einem gemeinsamen Prozess eingesetzt werden. Beteiligt sind 7 Partnerorganisationen aus 6 Ländern (Italien, Österreich, Dänemark, Griechenland, Deutschland und Großbritannien) und 35 Schulen auf lokaler, nationaler und EU-Ebene. In drei Jahren (September 2018 – August 2021) wird das Projekt ein EU-weites CDP entwickeln, das sich an Lehrer*innen richtet und sich auf die Förderung von sozialen, gesellschaftlichen und interkulturellen Kompetenzen und kritischem Denken bei Sekundarschüler*innen konzentriert.
Projektziele
- Entwicklung eines innovativen und kollaborativ entwickelten EU-weiten CPD-Programms zur Prävention von Radikalisierung in der Schule;
- Unterstützung von Lehrer*innen durch Bereitstellung von Lernaktivitäten, die Hilfestellungen bieten, um auf Vielfalt im Klassenzimmer einzugehen und Radikalisierungsprozesse im Bildungsbereich zu verstehen und zu verhindern;
- Förderung der Entwicklung kritischer Denkweise und Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung durch Bildungsmaßnahmen in Sekundarschulen;
- Förderung der Integration von Schüler*innen aller ethnischen, religiösen und sozialen Hintergründe, um einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sie aktive und verantwortungsbewusste Mitbürger und aufgeschlossene Mitglieder der Gesellschaft werden können.
Programm zur Prävention von Radikalisierung
Die Gründe für das Programm zur Prävention von Radikalisierung
Das Programm zur Prävention von Radikalisierung ist das zentrale Element des Projekts PRACTICE, das das Ergebnis der Arbeit aller 7 Projektpartner aus den oben genannten Ländern ist und vom Centro per lo Sviluppo Creativo Danilo Dolci koordiniert wird.
In der ersten Phase des Projekts wurde eine ausführliche Recherche durchgeführt, um die aktuelle Situation in Bezug auf Radikalisierung, Methoden zur Förderung kritischen Denkens, CPD und bestehenden Lücken in den Partnerländern sowie den Zusammenhang zwischen kritischem Denken und Radikalisierungsprävention im Bildungskontext zu erfassen. Außerdem wurde eine Feldforschung mit Interviews und Fokusgruppen durchgeführt, an der mehr als 105 Lehrer*innen, Schulleiter*innen, Fachleute und Interessenvertreter*innen teilnahmen: Dieser Schritt war entscheidend, um die Bedarfe des Bildungssektors in Bezug auf die Fähigkeiten und Kompetenzen zu ermitteln und zu analysieren, die bei Lehrer*innen und Schüler*innen gefördert werden sollten, um Radikalisierungsprozesse zu verhindern. Darüber hinaus wurden einige spezifische Themen und Themenbereiche als besonders relevant erachtet, die es zu behandeln gilt: Dies wird es ermöglichen, Lehrer*innen das notwendige Wissen und die notwendige Sicherheit zu vermitteln, um die Diskussion aktueller Themen und kontroverser Fragen mit den Schüler*innen anzuleiten.
Der vergleichende Forschungsbericht, als erster intellektueller Output des Projekts, ermöglichte es den Projektpartnern, grundlegende Empfehlungen für die Entwicklung eines Programmes zur Prävention von Radikalisierung zu identifizieren in Form eines Trainings, das sich an Sekundarschullehrer*innen richtet und Möglichkeiten aufzeigt, Radikalisierung zu verhindern und kritische Denkkompetenzen von Schüler*innen zu entwickeln. Das hier vorliegende Programm basiert auf diesen Empfehlungen.
ZIELE des Programms zur Prävention von Radikalisierung
- Entwicklung eines innovativen und kollaborativ entwickelten EU-weiten CPD-Programms zur Prävention von Radikalisierung in der Schule;
- Unterstützung von Lehrer*innen durch Bereitstellung von Lernaktivitäten, die Hilfestellungen bieten, um auf Vielfalt im Klassenzimmer einzugehen und Radikalisierungsprozesse im Bildungsbereich zu verstehen und zu verhindern;
- Förderung der Entwicklung kritischer Denkweise und Stärkung der gesellschaftlichen Verantwortung und der gemeinsamen Werte von Freiheit, Toleranz und Antidiskriminierung durch Bildungsmaßnahmen in Sekundarschulen;
- Förderung der Integration von Schüler*innen aller ethnischen, religiösen und sozialen Hintergründe, um einen sicheren Raum zu schaffen, in dem sie aktive und verantwortungsbewusste Mitbürger und aufgeschlossene Mitglieder der Gesellschaft werden können.
DIE STRUKTUR DES PROGRAMMS
Das PRACTICE Programm zur Prävention von Radikalisierung stellt ein innovatives Instrument für Lehrer*innen und pädagogisches Fachpersonal dar, um das kritische Denken und die Resilienz ihrer Schüler*innen zu stärken und Perspektiven zu öffnen, kontroverse Themen offen zu diskutieren. Es will den Schulsektor und die dort beschäftigten Fachkräfte dabei unterstützen, ihre Kompetenzen zu verbessern, das Potenzial neuer Ansätze, Methoden und internationaler Perspektiven für die Prävention von Radikalisierung durch die Entwicklung von kritischem Denken und damit verbundenen Fähigkeiten und Kompetenzen sowie von effektiven Praktiken und Kenntnissen in Bezug auf das Thema zu nutzen.
Es handelt sich um eine offene Bildungsressource (Open Educational Resource – OER), die als flexibles und anpassungsfähiges System gedacht ist. Das innovative Format bietet theoretische Inhalte, Strategien, innovative Ansätze, praktische Übungen sowie eine Auswahl nicht-formaler Lernaktivitäten.
Was ist eine offene Bildungsressource?
Offene Bildungsressourcen (Open Educational Resources (OERs) sind alle Arten von Bildungsmaterialien, die öffentlich zugänglich sind oder mit einer offenen Lizenz angeboten werden. Die Besonderheit dieser offenen Materialien besteht darin, dass jeder sie legal und frei kopieren, verwenden, anpassen und weitergeben kann. OERs umfassen Lehrbücher bis hin zu Lehrplänen, Vorlesungsnotizen, Aufgaben, Tests, Projekten, Audio-, Video- und Animationsmaterial.
Bei der Entwicklung dieses Programms wurden zwei grundlegende Leitlinien verfolgt, die jeweils in zwei Hauptbereichen Berücksichtigung finden:
TEIIL 1
der Bedarf der Lehrer*innen, die Faktoren zu verstehen, die hinter dem Phänomen der Radikalisierungsprozesse stehen; die Schutz- und Anfälligkeitsfaktoren am Ursprung dieser Prozesse; die Kompetenzen, Werte und Fähigkeiten, die bei Schüler*innen entwickelt werden müssen, um diesen Prozessen gegenüber widerstandsfähig zu sein; die Methoden und Ansätze, die es ihnen ermöglichen können, ihre Schüler*innen bei der Entwicklung kritischer Denkfähigkeit zu unterstützen.
TEIL 2
der Bedarf der Lehrer*innen, besser gerüstet zu sein, um kontroverse und aktuelle Themen mit den Schüler*innen zu diskutieren und sie dabei zu unterstützen, Meinungen und Ideen offen anzusprechen und auszutauschen, Fehleinschätzungen, Fehlinformationen und falsche Mythen in Frage zu stellen, um polarisierte und extreme Positionen zu vermeiden, die zu Radikalisierungsprozessen führen können.
TEIL 1
Teil 1 beinhaltet eine Einführung in das Konzept der Radikalisierung, ergänzt durch verschiedene theoretische Aspekte sowie Strategien und Methoden zur Entwicklung von sechs Hauptbereichen, die kritisches Denken fördern können.
Um jemand zu sein, der kritisch denkt, ist es nicht nur notwendig, rational an Fakten und Texte heranzugehen und die Fähigkeit zur Analyse logischer Zusammenhänge zwischen Wörtern und Ereignissen zu verfeinern. Es ist auch notwendig aufgeschlossenen zu sein und bereit zu sein, mit der Pluralität unserer Welt respektvoll und integrativ umzugehen; sich bewusst mit den Informationsquellen und -mitteln, vor allem online, auseinanderzusetzen; zu lernen, effektiv zu kommunizieren und mit Konfliktsituationen konstruktiv und friedlich umzugehen.
Aus diesen Gründen konzentriert sich Teil 1 auf die folgenden Lernbereiche bzw. Module:
- Kritisches Denken
- Digitale Kompetenz
- Aktives Zuhören und offene Kommunikation
- Aufgeschlossenheit und kreatives Denken
- Interkulturelle Kompetenz
- Konfliktlösung
Jedes Modul aus Teil 1 ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
- WAS? – Einführung in das allgemeine Thema
- WIE? – Wie man den betreffenden Lernbereich entwickelt, der sich mit Ansätzen, Methoden und Strategien an Lehrer*innen richtet
- Unterstützungsmaterialien – Übungen, Einblicke, Artikel und andere Lesevorschläge zur Vertiefung des Themas
- Herausforderungen und Tipps – zur Implementierung in verschiedene Kontexte im Unterricht
- Tipps für die Anwendung der Methoden in verschiedenen Fächer
- Literaturverzeichnis
TEIL 2
Teil 2 enthält einen Katalog von mehr als 50 nicht-formalen Lernaktivitäten, die Lehrer*innen direkt im Unterricht einsetzen können. Dieser Teil soll Lehrer*innen praktische Mittel zur Verfügung stellen, um den Meinungsaustausch und die kritische Analyse von Ideen und Perspektiven zu heiklen Themen anzuregen und zu leiten und einen sicheren Raum für eine offene und demokratische Diskussionskultur zu schaffen. Ziele sind dabei, Vorurteile abzubauen, kritisches Denken zu fördern und die Schüler*innen gegenüber Radikalisierungsprozessen widerstandsfähiger zu machen.
Nicht-formale Bildung ist ein innovatives und leistungsstarkes Instrument zur Stärkung verschiedenster Kompetenzen der Schüler*innen: Die hier vorgestellten Methoden sind flexibel und anpassungsfähig, so dass sie in einer Vielzahl von Kontexten und Schulfächern eingesetzt werden können.
Die Themen, die im Teil 2 dieses Präventionsprogramms behandelt werden, wurden entsprechend den von den Lehrer*innen während der Forschungsphase geäußerten Bedürfnissen ausgewählt. Dieser zweite Teil ist wie folgt strukturiert: a) ein Einführungsmodul, das eine Reihe praktischer Möglichkeiten zur Anregung offener Diskussionen und zum Austausch von Ideen bietet, die sich an jedes strittige Thema anpassen lassen, das möglicherweise im Unterricht auftauchen oder von den Lehrer*innen als „heißes Thema“ wahrgenommen werden könnte, das kontrolliert mit den Schüler*innen behandelt werden muss; b) 6 thematische Module, die die Analyse spezifischer aktueller Themen vertiefen:
- Migration
- Geschlecht
- Kultur und Identitäten
- Internet, Hassreden und Internetmobbing
- Diskrimination und Rechte
- Globale Konflikte und Menschenrechte
Jedes in Teil 2 enthaltene Modul ist in verschiedene Abschnitte unterteilt:
- Einleitung
- Lernziele
- Theoretischer Hintergrund
- Schrittweise Beschreibung der Lernaktivitäten
- Unterstützende Materialien und Literaturverzeichnis.
Programm zur Prävention von Radikalisierung
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Coordinator – Centro per lo Sviluppo Creativo Danilo Dolci – Italy
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